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ISLAND – Geo Fairreisen
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14 Dez

ISLAND

 
Island
Abenteuer Hochland im Zelt.

Den Sommer im Norden verbringen?
Auf diese Idee kommen nicht viele. Doch mit aller Vorsicht nun! Wer einmal im hohen Norden eine Reise unternommen hat der wird vielleicht süchtig bis an sein Lebensende sein. Nimmt man das erste Buch über Island in die Hand so ist es eindeutig: „Da möchte ich hin.“ Island hat allein durch Bilder die man sich ansieht ein solchen Sog, welchem man sich kaum entziehen kann. Also nichts wie los mit dem Rucksack voller kontroverser Dinge. Zwischen Winterjacke und Badehose ist alles dabei. Von Sonnencreme über Handschuhe, von Mückenspray bis Polarschlafsack ist alles eingepackt. Das Flugzeug trägt uns über den Atlantik bis die Insel irgendwann unter der Wolkendecke auftaucht. Es ist zwar sehr spät am Abend aber dafür soweit nördlich nicht wirklich dunkel. So dramatisch die Landschaft aus Steilklippen in Konturen nun zu entdecken ist kommt sofort das Gefühl von Magie auf. Hier ist Zauberkraft am Werk, nicht umsonst reisen wir von nun an im Land der Elfen, Trolle und weiteren Wesen. Am Flughafen gleich begrüßt von unserem Reiseleiter fahren wir eine knappe Stunde nach Reykjavik, in Islands Hauptstadt. Alle Mitreisenden sind müde und nach einer kurzen Einweisung legen sich alle sofort ins Zelt schlafen. In dieser ersten Nacht träume ich nichts. Früh klingelt der Wecker, leichter Regen fällt auf die Zeltdecke, noch ist nichts im Camp zu hören. Im Gruppenzelt steht schon alles bereit für das Frühstück. Kaum sind alle erwacht, sitzen wir beisammen und sprechen über unsere Vorstellungen von Island. Keiner aus unserer Gruppe ist jemals zuvor hier gewesen, kaum jemand kann sich unter der kleinen Insel so weit abseits vom restlichen Europa bildlich etwas vorstellen. Doch bei einem sind wir uns einig: „Wir wollen diese Reise, egal wie das Wetter wird. Dafür sind wir hier.“ Nach dem Frühstück fahren ins Zentrum von Reykjavik. Neben den kleinen „touristischen Strömen“ und unserem Treffpunkt an der mächtigen Halgrimmskirkja spazieren wir ein wenig umher und gewinnen einen ersten Eindruck. Mit dem Hausberg Esja in der Ferne, dem riesigen Hafen am Rande, den funktionalistischen wie historischen Gebäuden wird uns klar, dass Reykjavik eine aufstrebende Metropole ist, sich selbst verkörpert, das Gefühl von Stolz verbreitet. Jedoch sind wir nicht hier, um Souveniers zu kaufen und kaum blicken wir auf die Uhr ist der Zeitpunkt nah. Auf geht´s! Raus aus der Stadt, weg von den vielen Menschen, weg von der Zivilisation. Der Hunger nach Abenteuer steckt in uns allen. Auf unserem Weg in Richtung des Hochlandes halten wir in Thingvellir und der Allmänner-Schlucht. Wir erleben die Trennung der Kontinentalplatten hautnah, erfahren wie die Natur für die ersten Siedler ein natürliches Theater schuf, um hier politische Treffen zu organisieren in einem Land voller freier Menschen.
Weiter zieht sich unser Weg zum Geysir. Hier in seiner Berühmtheit spüren wir zum ersten Mal die Lebendigkeit der Erde und jubeln bei jedem Ausbruch der Heisswasserfontäne. Die ersten Eindrücke lassen uns noch lange im Camp darüber sprechen während die Sonne den Tag füllte und uns auf gutes Wetter für Morgen hoffen lässt. Kaum geschlafen und schon wieder aktiv. Voller Vorfreude bauen wir unser Camp ab, tanken den Wagen kurz auf und fahren zum mächtigen Gullfoss. Reißende Ströme über die Kasskaden donnern in die Schlucht und die Gischt umhüllt uns wie ein Dauerregen. Mehr nass als trocken steigen wir ins Fahrzeug zurück, stärken uns mit einem Stück isländischer Schokolade und fahren vom letzten Außenposten hinaus in die Wildnis. Nach einem letzten Stück Asphalt endet die geordnete Welt. Schotterpisten mit Schlaglöchern warten auf uns, unser Fahrer ist nun hochkonzentriert und spricht kein Wort mehr mit uns. Dies ist auch nicht nötig, zu sehr verschlägt uns die Landschaft die Sprache. Die Sonne bricht alle Wolken auf und zieht die Vorhänge beiseite. Jetzt zeigt sich Island! Der riesige Langjökull (Gletscher) mit den spitzen Erhebungen des Jarlhettur davor bringt uns nicht nur ins Staunen, wir fragen uns auch wie eine solche vollkommene Schönheit möglich sein kann. Für Stunden fahren wir durch die ewige Steinwüste, sind uns der Leere in der Landschaft bewusst aber schätzen zugleich die überdimensionale Monotonie. In Kerlingarfjöll wird es bergig. Die Weibsberge erstrahlen in voller Größe und wir wandern im Museum der Erdentstehung. Noch nie erlebte jemand von uns die Entstehung von Erde so nah wie in diesem Gebiet. Ich glaube es gibt keinen besseren Weg als die Welt wandernd zu begreifen. Keiner von uns braucht eine Pause. Wir essen hastig und spüren die Sucht nach mehr, nach mehr Landschaft. In unserem Wagen geht es weiter durch das brachliegende Ödland. 60% der Insel sehen so aus? Man kann dies nur schwer vorstellbar machen. Am frühen Abend treffen wir in Hveravellir ein. Zuletzt sitzen wir mit einem kalten Bier in einem Hot Pot und reden über das Erlebte. Während wir uns umrandet von Gletschern in der Ferne umsehen entdecken wir, das hier draußen sich niemand verloren fühlt, wir bemerken eher, dass wir alle ein Lächeln auf den Lippen haben.

Ein weiterer Tag auf der Schotterpiste.
Über Akureyri geht es zum lieblichen Myvatnsee. Neben Pseudokratern, Lavafeldern und der Krafla (Vulkan) im Hintergrund verzehren unsere Augen alle Sehenswürdigkeiten die uns die Natur beschert. Die Myvatnregion ist einzigartig. Unser Camp direkt am See, blicken wir auf endlose Vogelgruppen, genießen das milde Klima und sind verzaubert von dem Reichtum an Abwechslung. Neben riesigen vulkanischen Gebilden, Aschekratern und klarem Wasser gibt es sogar kleine Waldgebiete. Es ist wie in einem Märchen. Die Tage am Myvatn sind entspannt. Wir haben mehr Zeit unsere Gedanken zu sortieren, zu verstehen warum Island uns so überfällt mit der Gewaltigkeit von Eindrücken, welche wir noch lange nach der Reise nicht verarbeiten werden. Jeder kann auch etwas für sich unternehmen. Manche gehen Reiten, andere gehen im Naturbad baden, wieder andere starten einen Rundflug über die Askja… unser nächstes Ziel. Mit mehr als nötig im Anhänger unseres Wagens starten wir wieder in die Wildnis. Der Wechsel aus Zivilisation und Wildnis gefällt mir. Man verschwindet und taucht wieder auf. Dieses Mal geht es durch Flüsse, über Lavabrocken bis in die Oase von Herdubreidlindir. Ich habe schon viel über die Askja gelesen, auch das dieser Zentralvulkan mehrere Calderen in sich verschachtelt hat und egal ob am Myvatn oder hier, die Vulkane in Island generell aktiv sind und in nächster Zeit hat niemand die Gewissheit, dass nicht doch mal wieder einer ausbricht. Somit bilden wir uns Erruptionen unter uns ein während wir durch den Lavasand spazieren. Nachdem wir die ersten Flüsse mit Leichtigkeit durchquert hatten hielten wir am Rande der Sandpiste einfach mal an, verließen das Auto und gingen ein Stück in die Landschaft hinein. Jetzt wo jeder seinen Weg gehen kann wird uns deutlich welche Anziehungskraft diese weite Landschaft hat. Je mehr ich mich von der Gruppe entferne spüre ich die Stille. Hält man den Atem an hört man nichts. Die Weite erzeugt einen Sog dem ich verfalle und immer weiter in die Landschaft gehen möchte. Die Heimat verblasst, die Ferne rückt nun nah. Schweigend laufen wir umher, begreifen warum Isländer von Natur aus schweigsamer sind als andere Völker. Warum auch? Es bedarf in der Stille niemand zu sprechen, denn wo sonst erleben wir sie? Den letzten Fluss durchquert kommen wir im Schatten der Herdubreid an. Ein Tafelvulkan mit Schneehaube aus dem Bilderbuch. Nach einer gemütlichen Wanderung in der Region sitzen wir am Abend zusammen und sprechen über die Abenteuer von Ina von Grumbkow. Damals in 1908 als erste Frau zu Pferd in der Askja, überhaupt im Hochland unterwegs schrieb sie über ihre Erlebnisse auf der Suche nach ihrem Mann, der am Öskjuvatn verschwand. Unser Reiseleiter sagt, dass genau dieser See unser nächstes Ziel ist.
Die Sonne scheint schon wieder. Wir verstehen nicht warum wir so ein unverschämtes Glück haben. Durch ewigen vulkanischen Schaum (Bimsstein) geht es bis zum steinernen Camp in der Askja. Wir nehmen sofort eine Wanderung auf, wollen den Öskjuvatn erreichen und im Eingang der Hölle (Vitikrater) baden gehen. Ich könnte hier ewig sitzen und mir die Finger wundschreiben über jedes Detail dieser großartigen Landschaft berichten, doch manchmal ist die Grenze erreicht an der ich sage; „Es ist sinnvoller selbst diese Reise zu unternehmen, denn ich finde keine Worte so etwas Schönes zu beschreiben.“ Am Rande des Öskjuvatn pausieren wir, spirngen in die wohlig warme milchige Suppe des Vitikraters und sagen uns, dass dies das beste Freibad der Welt ist. Schon bald führt uns unser Weg zurück aus der Askja, doch die Wildheit ist noch längst nicht besiegt. Wir fahren auf dem legendären Sprengisandur in Richtung Süden. Nichts als Nebel und Steinwüste liegt auf unserem Weg. Eine ungeahnte Größe. Wir sind zu allem bereit und zeigen der düsteren Atmosphäre keine Angst. Der Regen sei hier normal meint unser Reiseleiter. Durch mächtige Flussläufe geht es hindurch, unser Auto kämpft verzweifelt gegen die Strömungen aber doch schaffen wir es bis nach Nydalur und schlafen bei starkem, kalten Wind mit der Zeltplane in unserem Gesicht ein. Wird Island nun seine andere, extreme Seite zeigen? Wir lagen wieder falsch. In Island scheint nichts geregelt zu sein. Man lebt mit dem Moment und plant nicht in die Zukunft. Es gilt den Tag zu nehmen und zu leben wie er eben kommt. Man merkt dies bei Gesprächen mit Isländern. Ich erlebte sie relativ zurückhaltend, freundlich aber auch gewissenhaft. Sie verstehen ihr Land besser als alle anderen, warum sollte ich auch irgendetwas in Frage stellen? Mit staubigen Lungen erreichen wir den Süden. Landmannalaugar ist unser Ziel. Ein letzter Blick in Richtung der Wüste und schon sind wir wieder auf Asphalt unterwegs. Zum Glück nur für kurze Zeit. Wenn ich über die Wüste nochmal nachdenke erkenne ich selbst, dass diese Form von Landschaft nicht bloß unbewohnbar, lebensfeindlich oder trostlos wirkt. Sie zeigt uns auch wie klein wir sind, dass wir uns in ihr nicht verlieren sondern auch zu uns selber finden können. Mit jeder Reise lernt der Mensch etwas Neues, entwickelt sich auf unterschiedlichen Ebenen weiter. Darum stärkt Reisen uns auch so gewaltig. Nach einem kurzen Tankstopp geht es nochmal auf die Schotterpiste bis wir Landmannahelid erreichen. In den nächsten Tagen stehen noch einige Wanderungen an. Das Camp ist nicht gerade gut besucht zu unserem Glück. Hier können wir nochmal in uns gehen, erklimmen einige Höhen und freuen uns über die weiten Blicke in eine Märchenlandschaft sondergleichen.
Im darauf folgenden Tag wandern wir durch die Ryolithlandschaft von Südisland. Wie eine Zuckerbäckerlandschaft ziehen sich die Berge in die Ferne, lassen uns wieder Staunen und Schweigen während der Wind auf den Gipfeln bläst und uns nur für kurze Zeit diesen unvergesslichen Einblick gewährt. Doch allein ein solch kurzer Moment ist schon so bedeutsam. Wir sind so verträumt, so verliebt in Island, dass wir keinen Gedanken verschwenden diese Reise eines Tages zu beenden. Und doch müssen wir leider weiter. Wir wollen noch einen letzten Trip wagen. Nochmals geht es durch Flüssen, Berg rauf Berg runter. Der Wagen kämpft verbittert gegen jeden Steinschlag, wir schlafen unter dem monotonen Dröhnen der Maschine ein. Als ich erwache erblicke ich nur grüne Täler. Die wenigen fruchtbaren Landstriche im Süden tauchen wie aus dem Nichts hinter dem Rücken des Hochlandmonsters auf und geben uns den Blickfang für Zivilisation. An der Südküste Islands übernachten wir in Vik. Der Nebel umhüllt die steilen Klippen in welchen Eissturmvögel nisten, in der Ferne rauscht das Meer und wir grillen uns frischen Lachs mit Folienkartoffeln. Es regnet aber das stört uns nicht. Wir hatten so viele Tage ungewöhnlich schönes Wetter, da rüttelt der Regen im Süden auch nicht mehr an unserer guten Laune. Wo hat man schon solches Glück wie hier in Island?
Nochmals packen wir unsere Ausrüstung und nochmals geht es entlang der Küste in Richtung Reykjavik. Wir stoppen hier und da, sehen Seevögel und Klippen, Pferde und gigantische Wasserfälle. Hier wird der Märchenlandeffekt wieder deutlich. Ja, dies hier ist das verwunschene Land der Trolle.
Am späteren Nachmittag bauen wir unser Camp wieder in Reykjavik auf. Nach einer kurzen Erfrischung geht es am Abend in die Innenstadt zu einem gemeinsamen Abendessen. Wir haben als Leihe, als Anfänger begonnen und beenden diese Reise mit einem isländischen Traditionsessen. Jeder willigte ein dieses Abenteuer der nordischen Kulinarik zu erleben und somit wundern uns Papageintaucherfilets, Rentierpasteten und der berühmte „Gammelhai“ auch nicht. Lachend und lallend verlassen wir das Restaurant, gehen noch aus in die wilde Nachtszene der Isländer, hören Gespräche wovon wir kein Wort verstehen, lauschen der befremdlichen Musik und stolpern in den Morgenstunden in unsere Zelte zurück.
Egal wie lange wir morgen schlafen, egal wann es Frühstück gibt, wir sind zufrieden und glücklich und bei einem sind wir uns alle sicher:

„Abenteuer steckt in uns allen.“

Uwe Gratzky