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GRÖNLAND – DIE PERLE DER ARKTIS – EIN REISEBERICHT – Geo Fairreisen
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30 Nov

GRÖNLAND – DIE PERLE DER ARKTIS – EIN REISEBERICHT

GRÖNLAND – DIE PERLE DER ARKTIS – EIN REISEBERICHT

 

Wenn ich auf einem weißen Blatt Papier beginne zu schreiben, denke ich grundsätzlich an Grönland. So wie das Weiß der Eisberge, die für immer in meiner Erinnerung still und einsam in den Fjorden hoch oben im Norden treiben.

Grönland war in meinem Leben immer etwas Unerreichbares. Etwas, was ich nur von Bildern kenne. Niemals hätte ich geglaubt, diese Reise zu unternehmen. Diese Reise wird alles in den Schatten stellen, was ich bisher erlebt habe. Zuerst nach Reykjavik (Island) geht es los. Nur für eine Nacht schlafen wir auf dem städtischen Campingplatz bevor der Wecker in aller Früh klingelt. Auf gehts mit unserem Gepäck zum zentralen Flughafen. Bald ist alles eingecheckt, alle sind bereit für das größte Abenteuer unseres Lebens. Das kleine Flugzeug (eine Fokker50) schraubt sich durch die Wolken und bald ist nichts mehr unter uns zu sehen, als die Wolken und der endlose Atlantik. Grönland liegt nur 300km von Island entfernt, somit kann niemand im Flugzeug schlafen. Keiner möchte den ersten Eindruck missen, keiner will das Ende der Welt verpassen. Nach nicht mal zwei Stunden ist es soweit. Das Flugzeug beginnt den Sinkflug und nun sind alle Augen draußen.

Der erste Eindruck: Grönland von oben zu sehen ist unvergesslich. Langsam kommen die riesigen Berge näher, langsam gerinnt der Ozean zu endlosem Weiss. Nebel schlängelt sich entlang der Berghänge und unsere Maschine setzt hart auf der kleinen Sandpiste auf. Wir sind nun in Grönland, in Kulusuk, dort wo alles Land endet. Ein kurzer Gang zum Ufer und bald liegen unsere Rucksäcke in den kleinen Motorbooten der lächelnden Inuit, welche uns nach Tasiilaq fahren wollen. Die Fahrt beginnt. Vom ersten Moment raubt uns Grönland den Atem. Auf dem Boot wird es eisig. Der Wind zieht in jede Ritze. Jetzt tauchen auch schon die ersten Eisberge auf. Hier erfüllt sich unser aller Kindheitstraum. Rauschend und berauscht von diesen Eindrücken landen wir in Tasiilaq, dem Hauptort der Ostküste. Unser Zeltlager liegt direkt am Fjord. Nachdem wir alles aufgebaut haben ruhen wir uns ein wenig aus, lernen uns gegenseitig kennen. Angekommen beginnt ein kleiner Rundgang durch das Dorf selbst. Wenn man aus unserer geregelten Welt in die der Inuit eintaucht kann der ein oder andere schon große Augen machen. Natürlich befinden wir uns hier in einem Land der Extreme. Gesellschaftlich wie auch in Bezug auf die Natur um uns herum.

Am Abend sitzen wir gemeinsam im Camp und sprechen über die Reise. Wir sind uns sicher, dass die nächsten Tage voller tief greifender Naturerlebnisse sein werden. Nach einer ersten unruhigen Nacht brechen wir nach dem Frühstück auf zu einer lokalen Wanderung. Ich denke, wir alle müssen uns erst an das Klima und die Umstellung gewöhnen, jetzt sehr weit weg von Zuhause zu sein. Auch die nächsten Tage werden wir mit Wandern verbringen. Ob zum Polarstrom, durch das Tal der Blumen oder auf den Hausberg um Tasiilaq aus der Ferne zu betrachten liefert uns die Arktis Eindrücke, die wir nur schwer verarbeiten können. Wieder im Dorf kaufen wir etwas ein und besuchen Robert Peroni in seinem Roten Haus. Einmal einen echten Abenteurer kennenlernen war schon immer ein Traum von mir. Wir lauschen gespannt bei einem Espresso seinen Erzählungen. Auch der Abenteurer Mike Horn soll sich in Grönland aufhalten. Er ist laut Robert nur gerade beim Fischen. Still wandern wir wieder zurück in unser Camp. Verwirrt von unseren ersten Tagen. Bestürzt von dem gesellschaftlichen Verfall der Inuit und deren Kultur. Es bedarf keiner Schönpinselei. Doch gleichzeitig zieht es uns hinaus aus Tasiilaq in die Wildnis. Das ist der Grund warum wir hier sind. Die Ausrüstung gepackt, unsere Zelte abgebaut geht es am nächsten Morgen hinaus aus dem Fjord. Willkommen im größten Skulpturenmuseum der Welt! Funkelnd wie Millionen von Diamanten ragen Eisblöcke empor, erheben sich die Festungen aus Eis vor uns. Schlösser von gigantischer Kulisse. Wir entdecken Kunstwerke wie kein Künstler sie schaffen kann, Gemälde wie kein Maler sie malen kann. Wir entdecken die Schönheit der Monotonie.

Das Wasser ist ruhig und unser Ziel ist bald erreicht. Am Rande des Dorfes Kummiut schlagen wir unser Lager auf. Jetzt sind wir wirklich angekommen. Unsere Zeit in Grönland kann wirklich beginnen! Berge umgeben uns. Ein kleiner Süßwasserlauf erlaubt uns Frischwasser zu schöpfen. Der Nebel wird nie verschwinden. So waren die ersten Eindrücke nachdem wir unser Lager aufgebaut haben. Zusammen wandern wir entlang des Fjords. Nur wenig Eis ist zu sehen. Wir konzentrieren uns auf die Miesmuscheln in den Buchten und sammeln diese für unser Abendmahl. In gut 30min sind wir im Dorf. Hier leben noch wahre Jäger. Robbenfleisch und Fisch hängen an den Giebeln, Eisbärfelle hängen über dem Geländer, überall liegen Dinge herum. Die Häuser sind in einem schlechten Zustand. Die kurze Saison erlaubt es kaum Reperaturen vorzunehmen. Wir werden von jedem Bewohner freundlich begrüßt, jeder lächelt. Was haben die Menschen hier nur für eine unendliche Güte in ihren Herzen. Ihre Freundlichkeit ist unverfälscht rein und dabei stehen wir weißen Menschen tief in ihrer Schuld. Die Bergkulisse lässt alles erstarren was wir bisher in unserem Leben gesehen haben. Postkartenstimmung gibt es auf jedem Bild, welches man in Grönland schießt.

Die nächsten Tage verbringen wir mit Wanderungen um Kummiut herum. Sogar ein Wal lässt sich kurz in der Bucht blicken. Allerdings sind wir uns in der Reisegruppe einig, dass wir lieber einen Wal als einen Eisbären sehen möchten. Und wenn, dann bitte nur aus der Ferne. Wir sind zwar mit allem ausgerüstet: Gewehr, Munition, Leuchtraketen und Satellitentelefon aber trotzdem wäre ein Eisbär nur aus der Ferne lieb. Dafür begegnet uns ein kleiner Jäger recht häufig. Ein Polarfuchs schleicht regelmäßig um unser Camp herum und bedient sich an unserem Müll, den wir sorgfältig verpacken. Doch schützen wird uns dies nicht. Bereits in der folgenden Nacht wühlt der Eindringling wieder unsere Kisten durch. Die Sauerei, die der Polarfuchs verursacht, beseitigen wir allerdings erst am nächsten Tag. Bevor wir all dies jedoch passiert sitzen wir mit unseren Muscheln am Fjord und bestaunen den Sonnenuntergang. Niemand spricht. Alle schauen bloß zu. Mehr ist auch nicht nötig

Die Boote werden wieder beladen. Wir wollen weiter. Nordwärts.

Mit hoher Geschwindigkeit rasen wir durch die Fjorde. Die Inuit kennen ihr Land genau, deshalb vertrauen wir ihnen bei der gesamten Navigation. Irgendwo verspüren wir Abenteuergeist. Das ganze hat etwas von einer Expedition. Wir fahren zum Knud Rasmussen Gletscher. Dort angekommen schlagen wir unser Camp direkt am Rande des Gletschers auf. Die Aussicht ist überwältigend. Eine über 20m hohe Mauer aus Eis bereitet uns Herzklopfen. Hier werden wir die nächsten Tage verbringen. Wir sind nun fernab von jeglicher Zivilisation. Hier draußen gibt es keine Verbindung zur Aussenwelt, kein Handynetz, kein Geld ist nötig, niemand wird uns begegnen, nur wir selbst begegnen und finden uns.

Die Zeit vergeht und wir lassen die Seele baumeln.

Zum ersten Mal scheint mein Zuhause so weit weg. Ich fühle mich in der Welt zu Hause, doch hier ergeben sich Fragen, die ich mir vor der Reise nie gestellt hätte. Ich sitze stundenlang am Wasser und blicke zum Gletscher. Fast minütlich brechen die Giganten aus Eis und stürzen ins Wasser. Dass die Gletscher verschwinden ist kein Geheimnis. Doch der Blick wird immer wieder übertroffen von diesem unglaublichen Panorama in dem ich mich hier befinde. Inzwischen schlafe ich so tief wie schon lange nicht mehr. Jeden Tag stehe ich ausgeruht auf. Egal wie Kalt die Nacht oder der Tag auch ist. Seit langer Zeit finde ich wieder Ruhe um meine Gedanken zu sortieren. Hier in Grönland denkt niemand daran Geschäfte zu machen. Niemand denkt an Reichtum, an Geld. All die Hektik, die rennende Zeit, die Straßenschluchten gefüllt von Autos, all dies ist so fern und nebensächlich. Wir konzentrieren uns nur auf das was jetzt gerade passiert. Wir pflegen nur unsere Grundbedürfnisse, kochen zusammen, wandern zusammen, fühlen Wärme, und schöpfen das Wasser direkt aus dem Flusslauf nebenan in welchem wir ebenso baden. Und plötzlich wird uns bewusst wie wenig wir eigentlich zum Leben brauchen. Hier in Grönland kommen wir zurück zu unserem eigentlichen Wesen. Zu uns Menschen. Die Sonne steht auch am nächsten Tag wieder am Himmel. Die Zeit der ewigen Stille in der Arktis wird bald vorbei sein. Nochmal wandern wir entlang des Fjords bestaunen Gletscher, hüpfen über Geröll, lassen uns mit den dicken Eisbrocken am Ufer fotografieren. Wir lieben diese Reise, dieses Land und behalten jeden Schritt in Erinnerung. Die Boote stehen wieder bereit, die Inuit winken uns lächelnd entgegen. Zeit für den Abschied. Mit langen Gesichtern steigen wir ins Boot in Richtung Tasiilaq. Wir wollen dort noch einiges unternehmen, aber nach dieser Zeit in der Natur ist selbst ein kleines Inuitdorf zu viel für uns. Wir fühlen uns ein Stück weit entfremdet von menschlichen Begegnungen. Auf dem Weg nach Tasiilaq halten wir an einer verlassenen Militärstation der Amerikaner. Die Endzeitstimmung gefällt mir, auch wenn mit dieser Station einst der Untergang der Inuitkultur weiter gefördert wurde. Trotzdem sind diese Bilder unvergesslich.

Die Fjorde gehen auseinander und die See wird unruhig. Wind kommt auf und unser Boot beginnt zu schaukeln. Und dann, plötzlich, taucht ein riesiger Buckelwal neben uns auf. So nah habe ich Wale nie gesehen. Der Wal bleibt bei uns, dreht sich auf den Rücken und taucht mit seiner weissen Bauchseite unter uns her. Wir schreien vor Glück. „Wo ist er? Wo ist er hin?“, ruft einer der Mitreisenden. „DA!“ ruft ein Anderer. Der Wal taucht wieder neben uns auf und bläst uns seine Fontäne direkt ins Gesicht. Ich zähle dies zu den wertvollsten Momenten in meinem Leben. Als er sich dann mit seiner Fluke verabschiedet winken wir, jubeln und liegen uns in den Armen.

Ein Hoch auf Grönland!

Die letzten Tage sind wir wieder in Tasiilaq. Wir wandern am Nordufer, lassen es uns gut gehen und kaufen für unsere letzten Kronen Souvenirs. Doch der Tag kommt an dem wir Abschied nehmen.
Wir fahren zurück nach Kulusuk. Winken Robert Peroni, den Dorfbewohnern und Grönland. Bald sitzen wir wieder in der Maschine nach Reykjavik. Zurück dorthin, wo es alles gibt. In die moderne Welt. Ob wir darin klarkommen werden? Bestimmt. Aber wir werden verändert zurückkehren. Da besteht kein Zweifel.

 

In Grönland selbst haben wir nichts zurückgelassen. Wir haben unser Herz verloren, ja. Aber zurück ließen wir nur unsere Fussspuren im Schnee und diese trägt der Wind wieder davon.

Uwe Gratzky